Weibliche Führungskräfte stehen nach wie vor und wahrscheinlich häufiger denn je vor einzigartigen Herausforderungen. Noch ist es in unserer Gesellschaft lange nicht so weit, dass es normalisiert ist, dass sich Frauen in Führungspositionen befinden und die Partner*innen den „Job zu Hause“ übernehmen.
Ich selbst kenne aus meinem privaten Umfeld lediglich 4 Frauen, bei denen es so ist. Bei allen anderen ist entweder die Frau diejenige, die zusätzlich zum Job den Job zu Hause erledigt, oder beide Partner*innen einem Hauptjob nachgehen und Haushalt und/ oder Familie von beiden gleichermaßen gestemmt wird. In manchen Fällen stehen auch Oma und Opa unterstützend bei der Versorgung der Kinder zur Seite, doch auch das ist längst nicht in allen Fällen so. Ebenso sind es nach wie vor eher die Frauen, die sich um zu pflegende Angehörige kümmern neben Job und eigenem Haushalt. Zudem erleben eher Frauen einen Karriereknick, wenn die Eltern erkranken und pflegebedürftig werden.
Der Balanceakt zwischen beruflichen Herausforderungen und persönlichen Verpflichtungen ist oftmals sehr überwältigend und auch die Reaktionen von außen können herausfordernd sein, wenn wieder einmal gefragt wird: „Und wie machst Du das mit Deinen Kindern? Wer kocht denn daheim bei Euch, wer macht die Wäsche, die Einkäufe, etc.? Wie machst Du das mit Deiner kranken Mutter?“
Weibliche Führungskraft- Eine freie Entscheidung?
Das sind Fragen, mit denen sich Frauen im Job und vor allem gerade in Führungspositionen heutzutage konfrontiert sehen.
Nicht selten kommt es vor, dass man von einigen als egoistisch, karrieregeil oder in der Sebstverwirklichungsphase steckend bezeichnet wird. Ich höre auch immer mal wieder Aussagen von Frauen, die sehr gerne beruflich weiterkommen möchten, es sich aber nicht erlauben, weil Glaubenssätze und Meinungen, wie: „Naja, ich hätte ja auch gerne mehr Verantwortung im Job, aber dafür hab ich ja eigentlich keine Kinder in die Welt gesetzt.“, sie ausbremsen. Oftmals ist es nämlich nicht die freie Entscheidung zwischen dem einen oder dem anderen, sondern ein Mangel an Möglichkeiten, beides zu haben. Kinder, Familie und Karriere.
Ich finde solche Aussagen schade, da sie zeigen, dass das Bild der Frau in der Führungsposition immer noch mit negativer Konnotation behaftet ist. Natürlich gibt es auch Frauen, die aus freien Stücken und ganz bewusst den Weg gewählt haben, keine Führungsposition anzustreben. Und dann gibt es die, die nebenher ein kleines Business aufbauen, um beides, Familie und Job entspannt unter einen Hut zu bekommen. Alle Varianten sollten in unserer Gesellschaft gleichermaßen akzeptiert und dementsprechend möglich sein.
Und das ist leider nicht der Fall. In diesem Beitrag geht es lediglich um die Frauen, die beschlossen haben, Karrieren in Führungspositionen anzustreben. Die, die aufgrund veralteter gesellschaftlicher Normen das Gefühl vermittelt bekommen, immer ein wenig mehr die Extrameile im Job gehen zu müssen, als ihre männlichen Kollegen. Die, die ein schlechtes Gewissen vermittelt bekommen, wenn sie neben der anspruchsvollen Rolle als Mutter ebenso eine anspruchsvolle Rolle als Businessleaderin erfüllen möchten, weil es ihnen ein Bedürfnis ist.
Frauen in Führungspositionen oder generell berufstätige Frauen leiden nicht zuletzt daher häufiger unter Stresssymptomen, als Männer. In meinen Coachings und Seminaren ist das das Feedback, das ich erhalte. Frauen, die für ihre umfassenden Aufgaben in Familie und Job brennen, berichten mir von unerklärlichen Schmerzen, Schlaflosigkeit bis hin zu depressiven Verstimmungen.
Dass Stress krank macht, ist bekannt. Und kranke Führungskräfte können keine guten Erfolge erzielen. Tragisch wird es dann, wenn neben der betroffenen Person auch das private Umfeld leidet. Es ist also gerade für Frauen in Führungspositionen von großer Bedeutung, Resilienz zu etablieren, um auch in herausfordernden Zeiten stark und auch flexibel zu bleiben.
Ein kleiner Einblick in wissenschaftliche Erkenntnisse zu diesem Thema liefert eine Studie aus dem Jahr 2020.
Frauen in Führungspositionen erfahren höheren Stress als ihre männlichen Kollegen
Eine Forschungsstudie von The Myers-Briggs Company untersuchte den Zusammenhang zwischen Stress, Geschlecht und Führungsebenen, wobei sie besonders die Situation weiblicher Führungskräfte beleuchtete.
Es stellte sich heraus, dass Frauen auf mittlerer und oberer Führungsebene im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen höheren Stress erfahren, wobei dieser auf der obersten Führungsebene signifikant abnimmt. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass weibliche Führungskräfte mit einzigartigen Stressoren konfrontiert sind, die auf den mittleren und oberen Ebenen der Unternehmenshierarchie besonders ausgeprägt sind. Ein möglicher Stressor könnte laut dieser Studie sein, dass Frauen in leitenden Positionen sich dem Druck ausgesetzt sähen, sich als Führungskraft beweisen zu müssen.
Während Männer und Frauen unterschiedliche Stressniveaus in Führungspositionen aufweisen, berichten Managerinnen auf mittleren und oberen Ebenen insgesamt von den höchsten Stressniveaus.
Es wird angenommen, dass Businessbesitzer und CEOs tendenziell weniger gestresst sind, da sie mehr Kontrolle über ihre Arbeit haben, was besonders für weibliche Führungskräfte von Bedeutung sein könnte.
Diese Erkenntnisse unterstreichen die Dringlichkeit, gezielte Maßnahmen zur Stressbewältigung und Unterstützung für weibliche Führungskräfte zu entwickeln, um ihre Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu fördern.
Ergebnisse der Studie in Stichpunkten
Stressniveau bei Frauen und Männern in verschiedenen Führungsebenen
- Frauen zeigten im Allgemeinen extremere Stressniveaus als Männer
- Stressniveaus bei Frauen erreichten ihren Höhepunkt auf der Senior Management-Ebene und fielen dann signifikant auf der Executive Management-Ebene ab
- Männer zeigten weniger offensichtliche Muster in Bezug auf Stress
- In Bezug auf die Aussage „Die Arbeit ist im Moment ziemlich stressig“ zeigte sich bei Frauen eine deutliche Korrelation zwischen der Organisationsstufe und Stress, während bei Männern eine relative flache Korrelation festgestellt wurde
Fazit
In einem vorangegangenen Blogbeitrag habe ich bereits darüber berichtet, dass Frauen resilienter sind in Bezug auf Stress. Es bleibt jedoch zu bemerken, dass diese Tatsache nicht bedeutet, dass Frauen weniger Stress empfinden. Im Gegenteil, sie gehen lediglich anders damit um, als Männer.
Die Ergebnisse der obigen Studie verdeutlichen die dringende Notwendigkeit, spezifische Unterstützung und Ressourcen bereitzustellen, um die Resilienz weiblicher Führungskräfte zu stärken und zu etablieren.
Dies erfordert nicht nur individuelle Unterstützung auf persönlicher Ebene und innerhalb der Gesellschaft, sondern auch eine organisatorische Kultur, die die Förderung von Gesundheit und Wohlbefinden von Frauen in Führungspositionen aktiv unterstützt.
Quelle: The Myers-Briggs Company; Nikhita Blackburn; Stress, gender and leadership- A research study from The Myers- Briggs Company, 2020